Cicciolina und der Papst
Von Eberhard Petschinka
10-jähriges Jubiläum des Kleinen Theaters Bruneck
Zwei Flüchtlinge, Asylanten aus dem ehemaligen Ostblock, ein Tscheche und ein Pole, ziehen nach dem Fall des eisernen Vorhangs aus dem verlorenen Paradies des Ostens in das Paradies des Westens. Sie wollen hier ihr Leben, ihre Lebenschancen verbessern. Sie haben aber nicht mit der harten Realität des Westens gerechnet und sehen anfangs nur die scheinbar schönen Seiten unserer Welt: das riesige Warenangebot, die heile Welt in all ihren Facetten, und werden sich erst nach und nach bewusst, dass das Leben hier viel brutaler, härter und erbarmungsloser (besonders für die Ausländer) ist, als sie es sich in ihrer Phantasie vorgestellt haben: Arbeitslosigkeit, Arbeitssuche, Aufenthaltsgenehmigungen, Ausländerfeindlichkeit, Neonazismus, Pornographie u.s.w..
Und weil die Härte des Lebens sie immer wieder einholt, flüchten sie sich in ihre Scheinwelt, die nur in ihrer Phantasie existiert: der eine will die Welt verbessern mit Gläubigkeit, Religion, mit Hilfe des Papstes, und der andere hält sich am Bild des Pornostars Cicciolina (Ilona Staller) fest. Sie hoffen, durch diese Phantasiegestalten aus der Misere ihres Lebens erlöst zu werden. Dadurch treten sie immer wieder auf der Stelle – nicht zuletzt auch aus Angst vor Veränderungen – werden oft von der Vergangenheit eingeholt, träumen von einer besseren Zukunft und kommen von der Vergangenheit nicht los und werden mit der Gegenwart nicht fertig. Am Ende kommt es zur Katastrophe, die ihnen evtl. eine Möglichkeit einer Veränderung eröffnet. Ob ihnen die Veränderung geling bleibt dahingestellt.
Dramatiker-Preis der Stadt Bruneck
Als wir vor anderthalb Jahren zu überlegen begannen, welches Ereignis unserem 10jährigen Jubiläum eine besondere Note verleihen könnten, wurde die Idee eines literarischen Wettbewerbs geboren, aus dem das Stück für die Jubiläumsinszenierung hervorgehen sollte. Überzeugt von dieser Idee hat die Stadt Bruneck einen mit 8,5 Millionen Lire dotierten Dramatiker-Preis ausgeschrieben, an dem sich Autorinnen und Autoren aus dem gesamten deutschsprachigen Raum beteiligen konnten. Bis zum Einsendeschluss am 31. März 1993 waren im Kulturassessorat von Bruneck 73 Stücke von insgesamt 62 Autoren (sechs davon aus Südtirol) eingegangen, die einer sechsköpfigen Jury zur Bewertung übergeben wurden. Vier Monate später einigten sich die Juroren Alois Bachmann, Barbara Fuchs, Johann Holzner, Josef Kuderna, Renate Messner und Hugo Seyr bei der Abschlusssitzung ihrer Bewertungsarbeit einstimmig darauf, dass der Dramatiker-Preis der Stadt Bruneck an das Stück „Cicciolina und der Papst“ von Eberhard Petschinka vergeben werden soll. Mit ihrer Entscheidung würdigte die Jury den Mut des Autors zur Behandlung des brennenden Asylantenproblems und unterstrich dabei die umsichtige Gestaltung dieses vielschichtigen Themas, das fernab von der täglichen Berichterstattung einen Blick in die Köpfe und Herzen von Asylbewerbern öffnet.
Autor: Eberhard Petschinka
Regie: Edi Braunhofer
Uraufführung: 26. November 1993
Auf der Bühne: Toni Taschler, Konrad Hochgruber
Hinter der Bühne: Edi Braunhofer, Klaus Gasperi, Karl Dander, Margareth Oberparleiter, Monika Niederkofler, Norbert Seeber, Christian Dapunt, Norbert Pedevilla
Musik: Hansjörg Mutschlechner