Moliere, der eingebildete Kranke

Von Jean-Baptiste Molière

Zum Stück

 

Argan, der sich einbildet, krank zu sein, bildet sich nicht nur ein, krank zu sein, er ist es. Er leidet allerdings nicht an den Kranheiten, die von seinen kurpfuschenden Ärzten behandelt werden, sondern eben an seiner Einbildung: er ist ein Hypochonder. Er kann sich nicht anders, denn als leidenden Mittelpunkt, sehen. Von seiner Tochter Angelique verlangt er, dass sie den akademisch verdrehten Trottel Thomas Diafoirus, heiratet, der gerade seine medizinische Prüfung bestanden hat, damit ihm immer ein Arzt zur Hand sei. Wenn er die zweifelhafte Annehmlichkeit der stets bereiten Klistierspritze dem sicheren Glück seiner Tochter vorzieht, das sie nur bei dem jungen Cleante finden kann, und wenn er, gebeutelt von Todesfurcht, zögert, sich auch nur im Spaß tot zu stellen, weil dies doch gesundheitsschädlich sein könnte, so gewinnt er bei aller Komik etwas Dämonisches: die rasende, sich selbst und seine Umwelt zerstörende Ichsucht. Das ist die eine Seite des Stückes: die Charakterkomödie.

 

Die andere Seite ist die Typenkomödie. Belinde, Argans zweite Frau, hasst ihre Stieftochter Angelique und nährt den Krankheitswahn Argans, weil sie hofft von ihm als Alleinerbin eingesetzt zu werden. Das Dienstmädchen Toinette, die Vernunft als Hausmannskost, führt die Gegenintrige. Als Arzt verkleidet, verordnet sie Argan als neue Diät seine Lieblingsspeisen. Sie überredet ihn, sich tot zu stellen, und schon enthüllt sich Gattin Belinde als pietätlose Erbschleicherin, während Tochter Angelique in ihrem Schmerz ihr gutes Herz offenbahrt. So erlaubt Argan ihr, dass sie ihren Cleante heiratet, der freilich Medizin studieren muss. (...) Die Wahrheit Molières ist hier die Wahrheit der Karikatur, die erst wahr wird durch Übertreibung. Und allzusehr scheint Molière im Falle seiner ärzlichen Zeitgenossen gar nicht übertrieben zu haben.
Quelle: Georg Hensel-Spielplan

 

Zum Autor

 

Jean-Baptiste Molière, mit bürgerlichem Namen Poqueline, wurde am 15. Jänner 1622 in Paris als Sohn eines Tapezierers geboren. Seine Schulbildung erhielt er auf dem von Jesuiten geleiteten Collège de Clermont in Paris, und studierte nachher Jura in Orlèons. Schon im Alter von 21 Jahren wurde er Mitglied einer umherziehenden Theatergruppe, dem "L'ILLUSTRE THEATRE", deren Leiterin Madeleine Bèjart seine Geliebte wurde. Über 12 Jahre zog er mit dieser Truppe durch das französische Land, spielend, hungernd, notleidend, aber immer begeistert für die Bretter, die die Welt bedeuten. Nach diesen Wanderjahren kehrte die Truppe nach Paris zu-r ück und erhielt nach einer erfolgreichen Vorstellung den Titel "Die Truppe Monsieurs, des einzigen Bruders seiner Majestät, des Königs" und war dadurch auch unter dem Schutz des Königs Ludwig XIV. In dieser Zeit (1662), heiratete er als Vierzigjähriger die neunzehnjährige Schwester (Armande) seiner Geliebten Madeleine. Diese war eine vielumworbene und gefeierte Schauspielerin in der Truppe Molières.
Nach Jahren der Praxis begann nun eine sehr fruchtbare Zeit der Dichtung, es entstanden seine Meisterwerke: (u.a.) Tartuffe (1664), Der Menschenfeind (1666), Amphitryon (1668), Der Geizige (1670), Der Bürger als Edelmann (1670), und als letztes "Der eingebildete Kranke" (1673).

 

In allen seinen Stücken spielte er selbst die Hauptrolle und führte auch selbst Regie, er war also Schauspieler, Regisseur, Direktor und Verfasser seiner Dramen. Während sein Ruhm immer mehr wuchs, mehrten sich seine Feinde, missgünstige Höflinge und feindliche Neider. Er aber stand unter dem persönlichen Schutz des Königs.

 

Ironie des Schicksals: am 17. Februar 1673 spielte er als wahrhaft Kranker die Rolle des eingebildeten Kranken, es war die vierte Vorstellung, und wurde während der Vorstellung (im letzten Akt) von Herzkrämpfen befallen und starb wenige Stunden darauf noch am selben Abend.

 

Aus: Königs Erläuterungen, Bd. 291/291a


Autor: Jean-Baptiste Molière

 

Regie: Edi Braunhofer

 

Premiere: 05. Mai 2000

 

Auf der Bühne: Alberto Tommasi, Agnes Maierhofer, Inge Frena, Sara Iovino, Kurt Kern, Hannes Holzer, Kurt Santifaller, Simon Kostner, Giulio Viale, Herbert Mairl, Gabriele Walder

 

Hinter der Bühne: Alfons Steger, Margareth Schiener, Willi Seebacher, Claudia Dejaco, Renate Puecher, Renate Messner, Ulrich Peintner, Christoph Oberschmied, Stefania Töchterle, ‚Danilo Castelletti, Paul Oberlechner, Waldtraud Hitthaler, Monika Gasser, Peter Oberhuber, Walter Eisath, Richard Kammerer, Kurt Kern, Walter Plaickner